Das Kündigungsrecht auf den Kopf gestellt. Was sollten Sie als Arbeitgeber davon wissen?
Die neue Regierungskoalition hat vor, das Kündigungsrecht zu reformieren und das Arbeitslosengeld zu modernisieren. Ihr Ziel ist es, den Weg von Beschäftigung zu Beschäftigung zu verkürzen. Dazu wird Folgendes vorgeschlagen:
Kündigungsrecht
- Das besondere Verfahren, das der Arbeitgeber durchlaufen muss, nämlich das Erlaubnisverfahren vor dem UWV (Verwaltungsorgan für die Sozialversicherung), um eine Erlaubnis für die Kündigung (ontslagvergunning) zu erhalten, soll abgeschafft werden. Auch die amtsgerichtlichen Verfahren zur Auflösung des Arbeitsvertrages und zur Verteidigung gegen eine offensichtlich unzumutbare Kündigung (kennelijk onredelijk ontslag) sollen abgeschafft werden.
- Stattdessen muss der Arbeitgeber beim UWV ein Gutachten über die Kündigung beantragen. Das UWV muss die Mehrheit dieser Anträge innerhalb von vier Wochen beantworten. Sobald der Arbeitgeber das Gutachten empfangen hat, kann er den Arbeitnehmer unter Einhaltung der Kündigungsfrist entlassen.
- Die Kriterien, die das UWV für die Beurteilung der beabsichtigten Kündigung anwenden muss, werden genauer umschrieben werden. Dies gilt nicht für eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen; die Beurteilungskriterien dafür bleiben unverändert.
- Der Arbeitnehmer kann sich gegen die Kündigung wehren, indem er ein gerichtliches Verfahren gegen den Arbeitgeber einleitet und sich darauf beruft, dass die Kündigung nicht berechtigt war. Das Gericht wird den gleichen Maßstab wie das UWV anwenden müssen und deswegen auf das Gutachten des UWVs großen Wert legen. Nur wenn die Kündigung im Widerspruch zu dem Gutachten steht, kann das Gericht die Entlassung rückgängig machen. In den anderen Fällen, in denen das Gericht urteilt, dass die Entlassung entweder nicht berechtigt oder überwiegend auf ein Verhalten des Arbeitgebers zurückzuführen ist, kann das Gericht dem Arbeitsnehmer eine Abfindung zuerkennen.
- Weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber können gegen das Urteil Berufung einlegen.
- Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer, der länger als ein Jahr beim Arbeitgeber beschäftigt ist, eine Ausbildungsbeihilfe (in gesetzlich festgelegter Höhe) zu zahlen, damit der Arbeitnehmer über ein „Übergangsbudget“ verfügt. Dieses Geld soll zweckgebunden sein, der Arbeitnehmer soll es nur für seine eigene Ausbildung ausgeben können. Die Verpflichtung zur Zahlung der Ausbildungsbeihilfe gibt es nicht, wenn der Grund der Entlassung die schlechte wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Zahlung dieser Beihilfe die Insolvenz des Arbeitgebers verursachen würde.
- Abfindungen werden auf ein halbes monatliches Gehalt pro Dienstjahr und auf eine Gesamtsumme von 75.000 EUR beschränkt.
Arbeitslosengeld
- Die Dauer des Arbeitslosengeldes (WW) wird für neue Fälle auf 24 Monate beschränkt. Für die ersten zehn Dienstjahre hat der Arbeitnehmer Recht auf einen Monat Arbeitslosengeld pro Dienstjahr, danach auf einen halben Monat pro Dienstjahr. Bereits erworbene Ansprüche auf Arbeitslosengeld werden bis zu 24 Monaten anerkannt.
- Ein Arbeitnehmer wird während der ersten zwei Monate wahrscheinlich 75% seines letzten Monatsgehaltes empfangen, während des Rests des ersten Jahres 70% seines letzten Monatsgehaltes, und während des zweiten Jahres 70% des gesetzlichen Mindestgehaltes; danach wird er auf Sozialhilfe angewiesen sein. Die Koalition hat mittlerweile mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften über diese Pläne beratschlagt. Das hat dazu geführt, dass die Regierung vorhat, einen zusätzlichen Beitrag in Höhe von 250 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.
- Die Beiträge der Arbeitgeber zur Arbeitslosenversicherung werden erhöht. Man erwägt dabei, wie folgt zu differenzieren: Arbeitgeber, die die Interessen der Arbeitnehmer wahren, sollen weniger zahlen müssen als diejenigen, die das nicht machen.
Wird das Kündigungsrecht damit gelockert?
Die Pläne geben Anlass zu vielen Fragen und sie sind auch noch nicht definitiv. Ob die Pläne die beabsichtigte Lockerung des Kündigungsrechts herbeiführen werden, ist jetzt noch nicht absehbar. Es kann nämlich auch sein, dass die Reform zur Folge hat, dass es schwieriger wird, einen Arbeitnehmer zu entlassen. Als nächsten Schritt wird die Regierung mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften weiter beratschlagen. Anschließend muss noch das ganze Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden. Aus den vorliegenden Plänen kann Folgendes gefolgert werden.Schlussfolgerungen und Hinweise
- Es liegt auf der Hand, dass das Gericht eine Kündigung nur marginal prüfen wird, wenn das UWV ein positives Gutachten für die Kündigung abgegeben hat, denn das Gericht wird die gleichen Maßstäbe wie das UWV anwenden und weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können gegen das Urteil Berufung einlegen. Dadurch soll der derzeit bestehenden Rechtsunsicherheit bei Verfahren vor dem Amtsgericht aufgrund einer offensichtlich unzumutbaren Erlaubnis ein Ende gemacht werden.
- Die Pläne der Regierung schweigen über einen Aufhebungsvertrag. Deswegen scheint es noch immer möglich zu sein, eine Entschädigung von mehr als 75.000 EUR zu bekommen.
- Es ist noch nicht klar, ob das Übergangsbudget ein erfolgreiches Instrument wird. Arbeitnehmer bevorzugen offensichtlich eine Abfindung vor dem zweckgebundenen Übergangsbudget, damit sie dann selber entscheiden können, was sie mit dem Geld machen.
- Werden die Änderungen eine Kosteneinsparung für die Arbeitgeber herbeiführen? Das kann man jetzt noch nicht sagen: Auf der einen Seite wird die Abfindung beschränkt, auf der anderen Seite muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Übergangsbudget zur Verfügung stellen und werden die Beiträge der Arbeitgeber an die Arbeitslosenversicherung erhöht.
- Es könnte auch noch sein, dass der Richter in seinem Urteil feststellt, dass die neuen gesetzlichen Bestimmungen Artikel 6 des Europäischen Vertrages über die Menschenrechte, der das Recht auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht gewährleistet, verletzen.
- Das Verfahren beim UWV wird aller Voraussicht nach keine Übergangsregelungen enthalten. Umso wichtiger ist es deshalb für den Arbeitgeber, dass seine Personalakte über den Arbeitnehmer korrekt und vollständig ist.
- Wenn ein Arbeitgeber jetzt vorhat, einen Sozialplan zu vereinbaren, wäre es ratsam, darin aufzunehmen, dass der Sozialplan im Falle einer Gesetzesänderung an die neue Gesetzlage angeglichen werden muss.